Vorsicht versus Leichtsinn

[Mika'il]

 

Liebe Geschwister, ich habe ein kleines Verständnis-Problem. Genau geht es darum bei was man auf Gott vertrauen soll und selbst nichts machen sollte und wann man zuerst was machen (selbst aktiv werden) soll und dann auf Gott vertrauen.

 

Konkret kam es bei mir zu der Problematik durch folgende Erzählungen die nicht einfach zu vereinen sind, irgendwo muss es da eine Grenze geben bei der sich das ändert, denn es steht geschrieben:

 

Es gibt ja eine Geschichte von unserem Propheten (saw) und einem Kamel:
Ein Mann kam auf seinem Kamel in die Stadt Medina. Dort angekommen suchte er den Propheten Muhammad (saw) auf und sagte ihm: "Ich habe mein Kamel draußen vor der Tür stehen lassen und vertraue auf Allah, dass ihm nichts geschieht." – Der Prophet fragte den Mann: "Hast du es angebunden?" – Der Mann antwortete: "Nein." – Der Prophet sagte: "Binde dein Kamel zuerst an und vertraue dann auf Allah."

Dieses Zitat ist konkret von Schwester Muhsina, die damit eine bekannte Erzählung wiedergibt. (eine genaue Quelle gibt es sicherlich dazu)

 

Dem zu widersprechen scheinen:

(...) "Weißt du, jeder hat Beschützer. Solange Gott will, werden sie auf ihn achten, so dass ihm nichts geschieht. Und wenn Gott nicht will, so werden ihm auch Kettenhemd und Rüstung nichts nützen!"

 

In einem Hadith Qudsi heißt es, dass derjenige, der davon überzeug ist, dass alles in Gottes Hand ist und nur das geschieht, was Gott will, keinesfalls über ein trauriges Geschick, das ihn trifft, unglücklich ist.

Dies ist ein Zitat aus 'Gelebte Liebe' - Geschichten der Ahl-ul-Bait (a.), Seite 97, Kapitel "Vom furchtlosen Gottesfürchtigen.

In dieser Erzählung geht es darum, dass jemand Imam Ali (a.) fragt, wieso er nur in leichter Kleidung, nicht jedoch in einem Kettenhemd oder Rüstung auf dem Schlachtfeld kämpft. Der erste Absatz ist ein Ausschnitt seiner Antwort darauf.

 

(...) "Wenn es dem Willen Gottes zuwiderläuft, so kann mir auch das, was auf Erden ist, nichts anhaben! Sei zuversichtlich und gehe beruhigt heim!" (...)

Dies ist ebenfalls aus 'Gelebte Liebe' - Geschichten der Ahl-ul-Bait (a.), Seite 98, Kapitel "Qanbar, der treue Wächter" .

In diesem Zitat geht es um Qanbar, der ein befreiter Sklave ist, der unaufgefordert den Posten eines Leibwächters einnahm, wenn Imam Ali (a.) das Haus verlassen hat. Ali (a.) fragt ihn daraufhin wovor er ihn bewahren will, vor dem was in den Himmeln ist, oder dem auf Erden. Qanbar sagt daraufhin dass er nur gegen die Dinge auf der Erde etwas unternehmen kann. Woraufhin Ali (a.) im obiges antwortet und ihn heimschickt.

 

 

Die beiden Erzählungen von Imam Ali (a.) widersprechen meiner Meinung nach der ersten Aussage des Propheten (s.), denn dieser fordert einen auf nicht leichtsinnig zu handeln und zuerst das zu tun was einem möglich ist um Risiken zu minimieren, während Imam Ali (a.) bewusst Risiken eingeht (die er sehr leicht noch hätte weiter minimieren können) und alleine auf Gott vertraut.

 

Nun frage ich mich, wie soll ich mich verhalten?

"Leichtsinnig" wie Imam Ali (a.) mit dem Wissen dass nichts ohne den Willen Gottes passiert und daher alles was passiert nicht von uns Menschen aufhaltbar ist, wir also sowieso nichts dagegen machen können. Oder soll ich mich "vorsichtig" verhalten, indem ich "Risiken" so weit wie möglich minimiere und dann "erst auf Gott vertrauen" wie es der Prophet (s.) vorschreibt ?

 

Ich bin gespannt was ihr sagen werdet!

 

[Jasmina]

As Salamu aleikum,

 

die beiden Begebenheiten widersprechen sich nicht, weil sie jeweils verschiedene Dinge behandeln. Bei den Mann und dem Propheten Muhammad (sas) war es so, dass der Mann leichtsinnig etwas zurückliegen ließ, was er selbst beschützen konnte, er aber dachte, dass Allah swt es täte. Allah swt hat zweifellos die Macht zu allem. Aber Er gab uns auch Willenskraft und Tatkraft, sodass wir sie auch anwenden. Es ging hier also um eine Sache, die der Mensch selber tun kann.

 

Bei der Begebenheit von Imam Ali (As) geht es um den Tod. Und das ist ein Aspekt, worin der Mensch keine Macht hat (sofern er nicht gerade am Töten ist). Es ist ein seinsgebendes Urteil, etwas worin der Mensch kein Einfluss hat, im Sinne, dass er den Tod verhindern oder voraus schieben kann. Wenn man um Imam Ali (as) also 1000 Leibwächter gestellt hätte, aber sein Todeszeitpunkt gekommen ist, dann hätten diese Leibwächter genau so viel genutzt wie keiner.

Anders bei den gesetzgebenden Urteilen, also Dingen, worin der Mensch Einfluss hat und verändern kann.

 

wassalam

[Mika'il]

 

ich danke dir für deine schnelle Antwort!

 

Sie beantwortet meine Frage vollständig und eindeutig.

 

Ich habe zum Thema auch noch folgenden Satz gefunden, den der Prophet Muhammad (s.) gesagt haben soll und welcher ebenfalls unterstreicht dass wir auf Angelegenheiten des Todes keinen Einfluss haben:

Wenn Gott beschließt, daß ein Mensch an einem bestimmten Ort sterben soll, gibt er ihm einen Grund, dorthin zu gehen.

 

 

[Jasmina]

As Salamu aleikum,

 

nochmal was von Imam Ali (as): Wahrlich, von Allah liegt ein undurchdringliches Schild über mir, und wenn mein Tag kommt, wird er mich freisetzen und (dem Tod) übergeben, und in jenem Moment wird kein Pfeil sein Ziel verfehlen und keine Wunde wird heilen.

 

wassalam