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Urfi Ehen im Spiegel


Moqawama

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Ein formloser Vertrag zwischen zwei Liebenden, und schon ist Sex erlaubt. Urfi-Ehen sind in Ägypten groß in Mode. Doch für Zehntausende Frauen folgt das böse Erwachen: Werden sie verlassen, haben sie - und ihre Kinder - keinerlei Rechte.

 

 

Kairo - Das Kind schiebt sich noch eine Erdnuss in den Mund und strahlt. Mehr Orangensaft, gestikuliert der Anderthalbjährige und setzt seine Kletterpartie über die Schöße seiner beiden Tanten fort. Ahmed heißt der Kleine, wie sein Vater. Der Name ist das einzige, was er von ihm bekommen hat, ansonsten hat sein Erzeuger nichts hinterlassen: keinen Nachnamen für sein Kind, keinen legalen Status, keine Papiere. Ahmed existiert nicht für die Behörden Ägyptens.

 

Der Junge hat keine Geburtsurkunde, und wenn sich das nicht ändert wird er keine Zukunft haben: Er wird nicht in die Schule gehen können, nicht in die Uni, er wird keinen Pass bekommen, um ins Ausland zu reisen. "Ich kann mit nichts beweisen, dass er überhaupt mein Sohn ist", sagt seine Mutter.

 

Ahmeds Mutter ist 34, weil sie ihren richtigen Namen nicht nennen will, soll sie Um Ahmed heißen: "Mutter Ahmeds", so wie in der arabischen Welt viele Eltern den Namen ihres Erstgeborenen als Rufnamen führen. Mit zwei Schwestern, einer Nichte und ihrem Sohn ist Um Ahmed in ein Kairoer Straßencafé gekommen. Sie will ihre Geschichte erzählen, weil es die Geschichte vieler Frauen in Ägypten ist - und Um Ahmed das nicht länger hinnehmen will.

 

Urfi-Ehen sind billig und folgenlos - zumindest für die Männer

 

Vor drei Jahren lernte Um Ahmed in einem Freizeitclub für Polizisten einen Major der Kairoer Polizei kennen. Beamte der Sicherheitsbehörden in Ägypten verdienen einen Hungerlohn, dafür stellt der Staat ihnen Freizeitheime mit Restaurants und Gartencafés. Um Ahmed hatte eine gescheiterte Verlobung hinter sich, mit 31 war sie für ägyptische Verhältnisse fast schon zu alt zum Heiraten.

 

Dass ihr der 54-Jährige Avancen machte gefiel ihr, dass er einen gute Position bei der Polizei hatte auch. Zwei Monate lang saßen sie immer wieder bei Saft und Tee zusammen, dann schlug Ahmed Senior die Hochzeit vor - allerdings keine richtige, mit großer Familienfeier und weißem Brautkleid. Das könne er seinen beiden Kindern aus erster, nach wie vor bestehender Ehe nicht antun, sagte der Major.

 

Eine Urfi-Ehe sollte es sein: Eine Ehe, die nach islamischen Recht geschlossen wird. Dazu setzen die Brautleute einen einfachen Vertrag auf und zwei Zeugen beglaubigen die Unterschriften. Wenn dann noch die Verwandtschaft informiert wird und das Paar mit ihrem Urfi-Vertrag aufs Amt geht, ist die Ehe sogar rechtsgültig.

 

Urfi-Ehen sind beliebt. 700.000 soll es in Ägypten geben, und das sei eine sehr vorsichtige Schätzung, gibt die ägyptische Parlamentsabgeordnete Ibtsam Habib an. Sie hat den Urfi-Ehen den Kampf angesagt, versucht mit Petitionen und Gesetzesvorlagen gegen den alten Brauch vorzugehen, der derzeit eine Renaissance erlebt. Denn Urfi-Ehen sind billig. "Hätte mich Ahmed richtig geheiratet, hätte er mir eine Wohnung kaufen und einrichten müssen", sagt Um Ahmed. Eine richtige Feier hätte auch für ihre nicht sehr wohlhabende soziale Schicht 10.000 Dollar gekostet, rechnet sie. "Darauf hätte er zehn Jahre sparen müssen, stattdessen habe ich ihn nur ein Blatt Papier für den Vertrag gekostet."

 

"Ich war verliebt", rechtfertigt sie sich.

 

Vor allem Studenten schaffen sich in Ägypten per Urfi-Ehe einen legalen Rahmen, um auch vor der unerschwinglichen Hochzeitsfeier Sex haben zu können, ohne dass der als unehelich gilt. Aber auch Witwen willigen in die traditionelle Eheform ein - weil sie so ihren Rentenanspruch nicht verlieren. Das Problem: Die wenigsten Paare lassen ihre Brauchtums-Ehe später auf dem Standesamt legalisieren, gesellschaftlich ist eine solche Verbindung ein wenig anrüchig.

 

 

Das Problem: Nach einer Trennung stehen die Frauen ohne Rechte da. Meist behält der Mann das einzige Exemplar des Vertrages, die Frau kann nicht beweisen, dass sie verheiratet war und die gemeinsamen Kinder von ihm sind. Doch auch wenn die Familien und Nachbarn über die Ehe Bescheid wussten - bei einer nicht registrierten Urfi-Ehe hält der Mann das Schicksal seiner Gattin in der Hand. Nimmt er den Vertrag mit, kann sie sich nicht scheiden lassen und ist dazu verdammt, ihr Leben als Strohwitwe zu verbringen.

 

Nachdem sie ihren Urfi-Vertrag unterschrieben hatte, lebte Um Ahmed einige Monate lang das Leben einer verheirateten Frau. Ihr Major zog bei ihr ein, plauderte mit seiner neuen Schwiegermutter über Religion, abends setzte ihm Um Ahmed seine Leibspeise vor: Garnelen. "Ich war verliebt", rechtfertigt sich Um Ahmed dafür, dass sie in die Ehe Light eingewilligt hatte.

 

Erst nach ein paar Monaten dämmerte es ihr. Ihr Mann, der eigentlich aus Alexandria stammte, hatte nur ein Zimmer mit Vollverpflegung gesucht. Wegen seiner Arbeit musste er unter der Woche in Kairo sein "und er war wohl die Unterbringung in der Kaserne leid", sagt Um Ahmed. An den Wochenenden fuhr ihr Mann nach Hause zu seiner Erstfrau. Ihr gab er auch sein ganzes Gehalt, in Kairo lebte er von dem Geld dass Um Ahmeds Großfamilie dem Paar gab. Um Ahmeds Schwester lacht, dass ihr die Tränen kommen. "Er hat dich und uns ganz schön verschaukelt."

 

Es ist ein Jammer, dass sich Um Ahmed und ihre Schwestern nicht fotografieren lassen wollen: drei stattliche Ägypterinnen, die ihre Leibesfülle in diverse Lagen wild gemusterter Gewänder gehüllt haben. Farblich passend haben sie sich die Augendeckel in türkis, grün und lila angemalt, ihre selten still stehenden Münder leuchten knallrot. Um Ahmed ist eine resolute Frau, als es ihr zu bunt wurde mit "dem Parasiten" zerriss sie ihr Exemplar des Ehevertrags und wollte ihren Mann vor die Tür setzen. Doch dann stellte sie fest, dass sie schwanger ist. "Ich habe versucht mich gütlich von ihm zu trennen, er versprach mir, dass er das Kind anerkennt und ins Krankenhaus kommt, wenn die Geburt losgeht."

 

Schließlich waren es dann aber ihre beiden Schwestern und ein Schwager, die im Oktober 2006 mit ihr in die Klinik fuhren. Als ihr Schwager ihren Mann anrief, um ihm von der Geburt seines Sohnes zu informieren, legte der auf. Seitdem hört Um Ahmed nur noch von ihrem Gatten, wenn dessen Erstfrau anruft, um sie zu bedrohen. "Sie meldet sich mehrmals täglich, beschimpft mich und droht, mir oder Ahmed Junior was anzutun."

 

"Mein Leben steht jetzt still"

 

Der Zorn der Erstfrau wuchs noch, als Um Ahmed sich an eine Hilfsorganisation wandte und mit Hilfe einer vom "Zentrum für Frauenrechte in Ägypten" gestellten Anwältin vor Gericht zog. Wie viele tausend Ägypterinnen, denen das Zentrum beisteht, kämpft auch Um Ahmed um einen Vaterschaftstest, damit ihr Sohn wenigstens Papiere bekommt. "Ich will gar keinen Unterhalt, ich will nur, dass es meinen Sohn offiziell gibt, dass er ein ganzer Mensch sein darf." Wenn ihr Mann seinem Jungen die Ausbildung nicht finanzieren wolle, müsse er das mit sich und Gott ausmachen.

 

Um Ahmeds Fall soll noch diesen Monat entschieden werden. Sie ist zuversichtlich. Es gibt Präzedenzfälle, in denen Gerichte die dreimalige Weigerung eines Mannes, einen Vaterschaftstest abzulegen, als Eingeständnis der Verwandtschaft gewertet haben. Das wird Klein-Ahmed helfen, ihr aber nicht. So lange ihr Mann sein Exemplar des Ehevertrags nicht herausrückt, kann Um Ahmed sich nicht scheiden lassen. "Mein Leben steht jetzt still, ich kann nicht mehr heiraten", sagt sie.

 

Sie würde deshalb gern mehr Lärm machen gegen die Urfi-Ehen, die "die Frau und das Kind zerstören", wie sie sagt. Doch das geht nicht: So lange die Urfi-Ehen den Anschein einer Light-Ehe für die Mätresse haben, kann sie nicht laut sagen, dass Ahmed aus einer solchen Verbindung hervorgegangen ist.

 

Um Ahmed setzt ihre Hoffnung deshalb in die Politik. Wo Zehntausende Mütter und Kinder betroffen seien, müsste sich der Gesetzgeber doch etwas einfallen lassen. Dass das in Ägypten sehr lange dauern kann, weiß Um Ahmed.

 

http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,548221-2,00.html

 

 

 

#augenroll#

 

Ich wollte geren Wissen, warum die Sunniten Mut2a ablehnen, aber Urfi Ehene erlauben, die wie aus dem Bericht herausgeht ziemlich große Nachteile haben für die Frauen, da sie die Ehen nicht beenden können wenn ihr Ehemann nicht zustimmt.

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