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Friedrich Rückert - Der Koran


André

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Koran


Friedrich Rückert (1788 bis 1866) war nicht allein ein bedeutender Dichter, er befaßte sich im Geiste der Romantik auch mit orientalischen Sprachen und Literaturen und schrieb kongeniale Übersetzungen aus dem Arabischen. In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts faßte er den Plan, den Koran zu übersetzen.


Rückert ging es dabei nicht um eine wissenschaftliche Edition, er bekannte sich ausdrücklich zur Auslassung einzelner Verse und sogar mehrerer Suren. Sein Leitmotiv war allein der "poetische Reiz" der islamischen Offenbarung, denn wie der Wiener Orientalist Josef von Hammer-Purgstall im Jahr 1811 schrieb: "Der höchste Zauber arabischer Poesie besteht nicht nur in Bild und Bewegung, sondern vorzüglich in des Reimes Gleichklang, der für arabische Ohren wahrer Sirenenton ist."


Hammer-Purgstall, einer der orientalistischen Lehrmeister und Anreger Goethes, war auch Rückerts Lehrer im Persischen, Türkischen und Arabischen. In der Romantik galt der durch Napoleons Ägypten-Expedition 1798 neuentdeckte Orient als ein mythischer Ort voller Geheimnisse und sinnlicher Versprechen - aber auch als gesellschaftliches Gegenmodell zum absolutistischen Nationalstaat europäischer Prägung.


Insofern war Rückerts 1834 erschienene Koran-Übersetzung nicht allein Ausdruck dichterischen Sturm und Drangs, sondern auch ein Manifest der Aufklärung - um so mehr, als die kirchlich geprägten Koran-Übersetzungen der Jahrhunderte vor Rückert eine deutlich polemische, anti-islamische Färbung zeigten.


Die sinnliche Kraft und poetische Schönheit der Rückert-Übersetzung, die jetzt in einer neuen Edition vorliegt, hat auch für heutige Leser nichts von ihrem Charme und magischen Zauber verloren. Vor allem eine parallele Lektüre der wissenschaftlich maßgebenden Koran-Übersetzung von Rudi Paret aus den sechziger Jahren dieses Jahrhunderts offenbart Rückerts sprachliche Stärken.


So übersetzt Paret Sure 53, Vers 42 bis 44 wie folgt:


Und daß es bei Deinem Herrn (schließlich alles) enden wird?



Und daß er es ist, der (die Menschen) zum Lachen und zum Weinen bringt?


Und der sterben läßt und lebendig macht?


Bei Rückert liest es sich so:


Und daß beim Herrn der Ausgang ist der Sachen?


Er weinen macht und lachen?


Und sterben und erwachen?



(Annemarie Schimmel, DIE ZEIT, 11. Oktober 1996)

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