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Sura Ibrahim, Aya 14: Die nicht (auf)zählbare Gunst Allahs


Huseyin Özoguz

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Huseyin Özoguz

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In der 34. Aya von Sura Ibrahim (14) lesen wir:

 

وَآتَاكُم مِّن كُلِّ مَا سَأَلْتُمُوهُ وَإِن تَعُدُّوا نِعْمَتَ اللهِ لَا تُحْصُوهَا إِنَّ الْإِنسَانَ لَظَلُومٌ كَفَّارٌ

 

 

Wobei ich diesen Thread zur Besprechung des Fettgedruckten poste.

 

Übersetzungsvarianten (von Paret, Rassoul, Khoury, Zaidan und selbst stückweise übersetzt mit Lexikon – in dieser Reihenfolge:

  • Und er hat euch allerlei gegeben, worum ihr ihn batet. Wenn ihr die Gnade Allahs (im einzelnen) errechnen wollt, könnt ihr sie (überhaupt) nicht zählen. Der Mensch ist (sofern er all diese Gnadenerweise nicht anerkennt) wirklich frevelhaft (zaluum) und undankbar.
  • Und Er gab euch alles, was ihr von Ihm begehrtet; und wenn ihr Allahs Wohltaten aufzählen wolltet, würdet ihr sie nicht vollständig erfassen können. Siehe, der Mensch ist wahrlich frevelhaft, undankbar.
  • Und er ließ euch etwas zukommen von allem, worum ihr batet. Wenn ihr die Gnade Gottes aufzählen wolltet, könntet ihr sie nicht erfassen. Wahrlich, der Mensch neigt sehr zum Unrecht und ist sehr undankbar.
  • Er gab euch noch von alledem, worum ihr ihn gebeten habt. Und würdet ihr die Gaben Allahs aufzählen wollen, würdet ihr sie nie umfassend erfassen können. Gewiss, der Mensch ist doch äußerst unrecht-begehend, äußerst undankbar.
  • Und Er gab euch von allem, wonach ihr Ihn fragtet. Und falls ihr die Gunst Allahs zähltet, ihr erfasstet sie nicht. Wahrlich, der Mensch ist unterdrückerisch, undankbar.

Denn fettgedruckten Teil der Aya finden wir nochmal in Sura Nahl (16), Aya 18.

 

Ich möchte hier gerne eine Besprechung des Fettgedruckten mit euch beginnen, auch wenn die Bedeutung (zunächst) sehr einfach erscheint.

 

Die erste Bedeutung ist klar: Die Gunst (Gnade finde ich hier nicht gut) Allahs für uns ist einfach unermesslich und die Beschreibung durch das unmögliche (Auf)zählen dieser Gunst durch uns ist eine Veranschaulichung dieser Unermesslichkeit.

 

Ich möchte mit einer Reihe von Fragen beginnen:

  • Was ist hier "ni’matallah"? Es ist im Arabischen Singular, ist damit die Gesamtheit aller Gaben und allen Gutes für uns Geschaffenes gemeint? Gehört dazu auch Lebendiges?
  • Was genau bedeutet die Veranschaulichung mit dem unmöglichen (Auf)zählen? Hier einige Beispiele des Verständnisses:
  • 1. Gemeint ist, dass die Menschen in ihrer jeweils begrenzten Lebenszeit (oder auch in ihrer begrenzten Lebenszeit als Menschheit insgesamt) einfach nicht genug Zeit haben, die Gunst aufzuzählen – schlicht, weil diese zu groß ist und zu viele Dinge dazugehören oder auch, weil es eine unendliche Menge ist.
  • 2. Gemeint ist, dass wir nicht genug Wissen besitzen, um alle zu "ni’matallah" gehörenden Dinge zu erfassen, und dieses Wissen auch niemals besitzen werden. Dass es also so viele Dinge von der Gunst gibt, die wir nicht einmal erahnen.
  • 3. (mathematisch faszinierend): Gemeint ist, dass die Gunst sich prinzipiell nicht aufzählen lässt, weil die Menge der dazugehörenden Dinge überabzählbar ist (man nennt eine Menge überabzählbar, wenn es unmöglich ist, die Elemente der Menge einen nach dem anderen aufzuzählen – es ist ein Grad der "großen" Unendlichkeit, z.B. die Menge aller reellen Zahlen zwischen 0 und 1 oder zwischen 0 und 0,00000001 – im Gegensatz zu beispielsweise der Menge der natürlichen Zahlen (0,1,2,...) die als "abzählbar" bezeichnet wird)

Oder gemeint ist vielleicht auch etwas noch ganz anderes.

 

Was fällt euch dazu ein?

 

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Bismillah

Assalamu Alaikum,

 

schöne Ausführungen.

Mit der Gnade ist an erster Stelle jegliche göttliche Versorgung des Menschen mit allem was mit seiner Existenz, Fortbestehen, Erkenntnis und Glückseeligkeit zu tun hat. Singular wird in diesem Kontext verwendet um auf die Art hinzuweisen und die Großartigkeit hervorzuheben. Plural wuerde Zaehlbarkeit vortäuschen waehrend das Singular auf das Ausmaß der Unzählbarkeit hindeutet.

 

Was fällt euch dazu ein?

Hinzu kommt, dass das Aufzählen einer Gnade selbst eine Gnade ist, die Zeit benötigt um aufgezählt zu werden. Jedes mal wenn man also aufzählt ergeben sich weitere Gnaden, die aufgezählt werden muessen. So sind auch unzählige Gehirnzellen am aufzählen einer Gnade beteiligt. Zählen wir eine Gnade auf, entstehen mind. so viele Gnaden wie Zellen und Zellenelemente beteiligt sind plus der Anzahl der Kommunikationsprozesse, die währenddessen zwischen den Zellen stattfinden. Durch das Auszählen einer Gnade entstehen somit Milliarden von Gnaden, die aufgezählt werden müssen.

 

Außerdem ist es so, dass wir zunächst definieren müssen, wann wir eine Gnade Allahs aufzählen. Wenn ich bspw. sage, mein rechtes Auge ist eine Gnade Allahs, während ich nicht genau verinnerliche welchen Wert diese Gnade hat. Gilt das dann als Aufzählen? Setzt ein richtiges Aufzählen nicht voraus, dass ich genau weiß, was ich aufzähle. Wenn wir das voraussetzen, dann können wir nicht mal eine einzige Gnade Allahs aufzählen, weil wir nie vollkommen verstehen würden, wie groß eine beliebige aber feste Gnade ist.

 

In Munajad Asch-Schakirin heißt es:

Deine Gnaden sind überaus zahlreich, meine Zunge ist zu schwach um sie aufzuzählen, geschweige denn dass ich sie vollständig herauszufinde. Wie soll ich Dir gegenüber dankbar sein, während meine Dankbarkeit dir gegenüber der Dankbarkeit bedarf. So ist es so, dass ich jedes mal, wenn ich dir sage, das Lob gebührt Dir, muss ich Dir allein aus diesem Grund (nochmal) sagen: "Das Lob gebührt Dir"

 

In einem Gedichtvers heißt es:

Die Dankbarkeit gegenüber Allah ist eine Gnade, die einen dazu verpflichtet, ihm Dankbarkeit hierfür zu erweisen. Wie soll man ihm dann für seine Güte danken, während die Dankbarkeit zu ihm nur ein Teil seiner Güte ist?

 

Wassalam

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Huseyin Özoguz

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Danke dir Bruder für deine schönen Ausführungen. Insbesondere den Aspekt der impliziten Rekursivität der "Gunst/Gnade" finde ich sehr faszinierend. Das allein wäre natürlich bereits eine Erklärung der Unmöglichkeit, selbst ohne den Aspekt des umfassenden Verständnisses. Das heißt aber auch, dass (zumindestens mit dieser Betrachtung) kein Hinweis auf das Konzept der Überabzählbarkeit zu erkennen ist, alles bleibt "abzählbar" – sofern wir die Begriffe ausreichend geklärt hätten.

 

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Salam

Sehr lehrreich, möge Allah t euch belohnen.Ich muss noch länger nachdenken, habe aber eine Frage an Br.3aliy.Du schriebst:

 

"Außerdem ist es so, dass wir zunächst definieren müssen, wann wir eine Gnade Allahs aufzählen. Wenn ich bspw. sage, mein rechtes Auge ist eine Gnade Allahs, während ich nicht genau verinnerliche welchen Wert diese Gnade hat. Gilt das dann als Aufzählen? Setzt ein richtiges Aufzählen nicht voraus, dass ich genau weiß, was ich aufzähle. Wenn wir das voraussetzen, dann können wir nicht mal eine einzige Gnade Allahs aufzählen, weil wir nie vollkommen verstehen würden, wir groß eine beliebige aber feste Gnade ist."

 

Ich verstehe den letzten Satz nicht, bist so nett und erklärst ihn mir bitte lieber Bruder?

 

Fi aman illah

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Bismillah

Assalamu Alaikum,

 

Zur Überabzählbarkeit:

Ich denke schon, dass es so ist, wie du bereits beschrieben hast. Wenn wir nämlich voraussetzen, dass es das Kontinuum gibt, und das gibt es aus rein philosophischen Gründen tatsächlich, dann müssten wir uns bspw. für jede Position auf jeder Strecke bedanken, die wir zurückgelegt haben. Jeder Punkt, den wir passieren durften, wäre eine Gnade und wir hätten die Überabzählbarkeit. Auch die Zeit, in der wir leben, ist ein Kontinuum. Können wir uns je für jeden Zeitpunkt bedanken, den wir gelebt haben? Die Antwort ist nein, selbst wenn wir unendlich viel Zeit zur Verfügung hätten. Ja sogar selbst wenn wir überabzählbar viel Zeit hätten. Wir brauchen nämlich ein Zeitintervervall um uns bei Gott für einen Zeitpunkt bedanken zu können. D.h. wir verbrauchen überabzählbar viele Zeitpunkte, um uns für einen Zeitpunkt bedanken zu können.

 

Das Wichtigste in diesem Zusammenhang ist, es zu schaffen im Zustand des Staunens über die umfassende Gnade Gottes zu kommen und zu verbleiben.

 

Wenn ich im Zug auf dem Weg nach Hause bin und ich mich bei Gott die ganze Zeit bedanke und seine Gnaden aufzähle, dann weiß ich, dass mein Dank verschwindend gering ist, ja sogar lächerlich ist gegenüber der Großartigkeit seiner Gnade. So als würde ich eine Konstante mit der Unendlichkeit vergleichen. Denn mein Dank ist endlich und allein die Zeitpunkte, die er mir hierfuer zur verfuegung gestellt hat, sind ueberabzaehlbar. Mit dem ersten Atemzug in dieser Welt hat der Mensch so viele Gnaden erhalten, dass er nicht mehr genug danken kann. Was er machen kann, ist es möglichst zu meiden, undankbar zu sein, zu staunen und zu erkennen.

 

"Außerdem ist es so, dass wir zunächst definieren müssen, wann wir eine Gnade Allahs aufzählen. Wenn ich bspw. sage, mein rechtes Auge ist eine Gnade Allahs, während ich nicht genau verinnerliche welchen Wert diese Gnade hat. Gilt das dann als Aufzählen? Setzt ein richtiges Aufzählen nicht voraus, dass ich genau weiß, was ich aufzähle. Wenn wir das voraussetzen, dann können wir nicht mal eine einzige Gnade Allahs aufzählen, weil wir nie vollkommen verstehen würden, wie groß eine beliebige aber feste Gnade ist."

 

Ich verstehe den letzten Satz nicht, bist so nett und erklärst ihn mir bitte lieber Bruder?

Wenn wir sagen würden, dass wir etwas nur dann aufzählen können, wenn wir es vollkommen verstehen, dann können wir eigentlich die Gnaden nicht aufzählen, weil wir diese nicht vollkommen verstehen.

 

Wassalam

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