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Trauer oder Depression ?


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Da vermehrt Beiträge über Kummer und Depressionen geschrieben werden, wollte ich diesen Artikel mit euch teilen. Wie der Titel schon mal sagt, geht es darum Depression (Erkrankung) von Trauer zu unterscheiden.

 

„Die Unterschiede sind wesentlich,
die Ähnlichkeiten verwirrend.“
(Kay Redfield Jamison, 2011)

Trauer oder Depression?

 

Trauer nach dem Tod eines nahestehenden Menschen geht häufig mit Beschwerden und Einschränkungen einher, die auch für eine depressive Erkrankung typisch sind, z.B. Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Interessenverlust, Schlafstörungen, Appetitverlust, Freudlosigkeit.

Trauer und Depression scheinen also zum Verwechseln ähnlich zu sein. Eine sorgfältige Unterscheidung von Trauer und Depression ist jedoch enorm wichtig, damit Menschen mit normalen Trauerreaktionen nicht irrtümlich als an einer Depression erkrankt diagnostiziert werden, aber auch damit Trauernden, die an einer Depression erkranken, nicht die notwendige Hilfe verwehrt bleibt.

Bestimmte Aspekte im Erleben und Verhalten von Betroffenen können als Unterscheidungsmerkmale herangezogen werden. Die vier wichtigsten sollen hier kurz aufgezeigt werden:

1. Emotionale Schwingungsfähigkeit oder emotionale Erstarrung:
Sowohl Trauer als auch Depression sind mit seelischem Leid verbunden. Dennoch können Unterschiede ausgemacht werden, was die Qualität und die Dauerhaftigkeit der negativen Stimmungslage angeht. Viele Hinterbliebene berichten, dass der Kummer in Wellen kommt, aber auch wieder abebbt. Und bei allem Schmerz bleibt in der Regel die Fähigkeit erhalten, Momente positiver Emotionen zu erleben und in bestimmten Aktivitäten Trost zu finden.

Menschen mit Depressionen hingegen sind gekennzeichnet durch das Leiden an einer anhaltenden negativen Grundstimmung, die als Niedergeschlagenheit, aber auch als emotionale Erstarrung, oder als Gefühl der Gefühllosigkeit und Trostlosigkeit beschrieben wird. Für Menschen in einem depressiven Zustand kann es besonders qualvoll sein, dass sie die Bemühungen ihrer Mitmenschen wahrnehmen, sie aufzumuntern und dennoch keine Veränderung ihrer Stimmung eintritt.

2. Regulierungsfähigkeit oder Ausgeliefertsein:
In der Trauer kann das Erleben von seelischem Leid verbunden sein mit einem Gefühl der bejahenden Hingabe an den Schmerz. Die Intentionalität muss sich jedoch nicht nur auf die Bejahung schmerzhafter Empfindungen beziehen. Deren Vermeiden ist häufig ebenfalls bewusstes Bewältigungsverhalten, damit Trauernde sich „Auszeiten“ vom Schmerz nehmen oder sie sich ihren Alltagsverpflichtungen stellen können. Gerade die Fähigkeit, die eigenen Emotionen zumindest teilweise regulieren zu können, d.h. je nach Situation zwischen bejahendem Zulassen und bewusstem Vermeiden von schmerzhaften Gefühlen zu pendeln, gilt als wesentliches Merkmal normaler Trauer.

In einer Depression fühlen sich Betroffene der negativen Stimmung weitgehend ausgeliefert. Sie werden hineingezogen und erleben die Stimmung als nicht beeinflussbar, trotz eigener Regulierungsversuche.

3. Intensives Denken oder pessimistisches Grübeln:
Es mag wenig überraschen, dass der Tod eines geliebten Menschen die Gedanken des Hinterbliebenen stark beherrscht. Wiederkehrende Gedanken kreisen um die Todesumstände und den Verstorbenen. Auch sich aufdrängende Erinnerungen an den Verstorbenen, sorgenvolle Gedanken um die Zukunft ohne ihn, gelten als Kennzeichen normaler Trauer. Ebenso normal sind Konzentrationsschwierigkeiten und sprunghaftes Denken.

Für depressives Grübeln ist jedoch eine bestimmte Form intensiver gedanklicher Aktivität typisch: Es handelt sich hier um das pessimistische Grübeln, d.h. um Gedankenprozesse, die ständig negativ, pessimistisch und abwertend um die eigene Person, die eigenen Gefühle und Probleme, sowie deren Ursachen und Folgen kreisen.

4. Intaktes Selbstwertgefühl oder Selbstabwertung:
Ein ganz wesentlicher Unterschied zwischen Trauer und Depression betrifft das Selbstwertgefühl der Betroffenen: Hinterbliebene erleben sich zwar in ihrer Identität erschüttert, doch ihr Selbstwertgefühl ist nicht in dem Ausmaß beschädigt, wie dies für Menschen typisch ist, die an einer Depression leiden. Bereits Sigmund Freud hat diesen Unterschied sehr anschaulich herausgearbeitet:



"Bei der Trauer ist die Welt arm und leer geworden, bei der Melancholie ist es das Ich selbst. Der Kranke schildert uns sein Ich als nichtswürdig, leistungsunfähig und moralisch verwerflich, er macht sich Vorwürfe, beschimpft sich und erwartet Ausstoßung und Strafe. Er erniedrigt sich vor jedem anderen, bedauert jeden der Seinigen, daß er an seine so unwürdige Person gebunden sei. Er hat nicht das Urteil einer Veränderung, die an ihm vorgefallen ist, sondern streckt seine Selbstkritik über die Vergangenheit aus; er behauptet, niemals besser gewesen zu sein" (Freud, 1917, S. 3).

Für Hinterbliebene und deren Angehörige kann das Wissen um solche Unterscheidungsmerkmale hilfreich sein, um das eigene Erleben bzw. eigene Beobachtungen für sich selbst genauer einordnen bzw. auch gegenüber Dritten genauer beschreiben zu können (Siehe angehängte Grafik).

 












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