Kleine Verständnisfrage

[Azada]

Salam alaikum, liebe Spezialisten - und auch liebe Schwestern!

 

Ich möchte ganz zu Anfang entschieden erklären, dass ich mit diesem Thread weder Ärger machen noch irgendwie an eurem Glauben kritteln möchte. Ich bin anders aufgewachsen und glaube anders, deswegen versteht ihr vielleicht, dass ich mich mit dem Verständnis schwertue. Aber mich interessiert das sehr, inschaAllah könnt ihr mir das aus eurer Sicht erklären

 

Es geht um diesen Satz von Mohammed (s. a. s.)

 

“Der Mann ist der Verantwortliche der Familie, und als solcher hat er für die ihm Anvertrauten Sorge zu tragen.”

 

Irgendwo hab ich in dem Zusammenhang den Satz ".. ist der Amir des Haushalts..." gelesen. Ist Amir= Emir? Also quasi ein Herrschertitel - also in dem Zusammenhang eher mit "Haushaltsvorstand" zu übersetzen?

Meine erste Frage ist: wenn ich richtig verstanden habe, muss die Frau dem Mann gehorchen, weil er die meiste Verantwortung trägt. Wenn aber eine Frau die Verantwortung trägt (was ja gar nicht mal so abwegig ist) - muss dann der Mann ihr gehorchen? Oder ist er der Verantwortliche, weil er der Mann ist?

 

Die zweite Frage geht an die Schwestern und ist vielleicht etwas indiskret

Nämlich: wie schafft ihr das? Ich weiß natürlich, dass der Mann auch Pflichten hat und mit seiner Familie gut umgehen soll. Ich spreche hier nicht von Unterdrückung, oder so. Aber es geht halt um diese alltäglichen Kleinigkeiten - das letzte Wort haben, einfach mal rausgehen (wir setzen jetzt mal Anständigkeit voraus) und so. Ich muss gestehen, dass es mir schwer fallen würde, darauf zu verzichten. Bei den Schwestern hier ist das irgendwie so selbstverständlich - das meine ich positiv. Ist das Erziehungsfrage? Oder doch eher Glaubenssache?

 

Entschuldigt bitte, wenn meine Fragen vielleicht aus eurer Sicht abwegig oder komisch erscheinen. Für mich sind es aber genau diese kleinen Dinge, die mir eine bessere Einsicht geben.

 

Dankeschön

 

Wa salam

[Signor Abdullah]

Selam!

 

In diesem Satz lese ich nichts von Gehorsam, sondern von Verantwortung und Sorge tragen. Wenn man die Interessen seiner Familie vertritt erfordert das sicherlich auch, dass der Rest der Familie kooperiert. Aber eine "ideale" Rollenverteilung, die in einem eingespielten Team eine Selbstverständlichkeit sein sollte, hat nicht unbedingt etwas mit Gehorsam zu tun. Der eine wie der andere Ehepartner muss schließlich dann und wann Kompromisse eingehen. Wenn die Ehefrau,- von Natur aus nunmal diejenige, welche Kinder gebärt (und Kinder machen ein Paar erst zur Familie),- sich um einen Teil des Familienlebens kümmert, dann muss auch der Mann "gehorchen" und schauen, dass Geld ins Haus kommt. Und von diesem Idealfall geht der Islam nunmal aus.

Du siehst, es relativiert sich in vieler Hinsicht. Leider gibt es aber auch Männer, die überhaupt nicht mit Geld umgehen können und stinkfaul sind. In diesem Falle, wäre so ein Ehepartner aber auch nicht mehr ernstzunehmen, da er seine Pflichten enorm vernachlässigt und zum Ruin der Familie beiträgt. Da sollte man doch über "Maßnahmen" nachdenken.

Fi aman illah!

[Azada]

Salam, Signor Abdullah!

 

Danke für die Antwort.

 

Also, vielleicht hatte ich mich da etwas unvollständig ausgedrückt. Passiert mir manchmal, dass ich die Hälfte vergesse *lach*

 

Natürlich steht das nicht direkt in diesem Satz, aber so wie ich das verstanden und gelesen habe, steht der Mann eine Stufe über der Frau, oder dass die Frau nicht ohne sein Einverständnis das Haus verlassen darf, ect.

 

Ich geb dir vollkommen Recht, wenn du sagst, dass das Erfolgsrezept einer guten Ehe (oder in der westlichen Kultur Partnerschaft) Kompromissbereitschaft und Geben und Nehmen ist. Klar hat da jeder seine Verpflichtungen. Aber es geht ja nicht immer nur um das Geld, das nach Hause kommt. Ein Haushalt hat ja noch mehr Belange, die Verantwortung erfordern. Aber was ist es genau, was diese Verantwortung ausmacht, dass den Mann zum Oberhaupt macht?

 

Und natürlich wurden wir als Mann und Frau geschaffen und haben unsere Unterschiede. Aber ganz unabhängig davon hat doch jeder seinen eigenen Charakter, Fähigkeiten und Bedürfnisse. Ich finds echt toll, wie der Islam Frauen das Recht zugesteht, zuhause zu bleiben - und die hohe Stellung der Hausfrau und Mutter im Allgemeinen. Da muss ich gestehen, dass ich manchmal sogar etwas neidisch bin. Aber - um zum Punkt zu kommen - es gibt ja auch Frauen, die mit ihrer natürlichen Rolle unzufrieden sind und lieber etwas anderes tun. Oder mittlerweile gibt es ja auch Männer, die eher die Neigung haben, zu Hause bleiben zu wollen. Geht das islamisch gesehen? Oder wo liegen denn im Islam die Grenzen des Individualismus?

 

Neugierige Grüße und wa salam

[Signor Abdullah]

Selam!

Im heiligen Koran wird erwähnt, dass die Einen mehr Vorzügen ausgestattet sind als die Anderen. Vorzüge bedeuten mehr Verantwortung tragen. Mehr Verantwortung zu tragen bedeuted, dass man ein schweres Joch trägt. Diese Art von Vorzug relativiert sich also schnell. Doch wenn dies in Bezug auf rechtliche Belange und die Versorgung der Familie gesagt wird, heißt das nicht, dass nicht auch die Frau ihre Vorzüge hat. Sie ist immerhin diejenige, die Gott dazu erwählt hat Leben zu schenken. Wer ausser Gott, der der Schöpfer schlechthin ist, vermag dies zu tun?

Ein Kind wächst neun Monate im Bauch der Mutter heran. Die erste Bezugsperson,- in den ersten Minuten auf dieser Welt,- ist die Mutter. Diese Beziehung ist vom bedingungslosen Vetrauen des Säuglings zu seiner Mutter bestimmt. Hier wird der Grundstein dafür gelegt, der für das ganze spätere Verhältnis des jungen Menschen zu seinen Mitmenschen maßgebend ist.

Du fragst nun was denn wäre, wenn die Frau mit ihrer natürlichen Rolle unzufrieden ist und lieber etwas anderes tun würde. Nun, die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft. Wenn eine Frau heiratet, so sollte sie dies nicht nur der schönen Hochzeitsfotos wegen tun, sondern eben um eine Familie zu gründen. Erst Kinder machen ein Paar zur Familie. Weshalb sollte sie denn überhaupt heiraten, wenn sie doch keine Kinder will? Und eine Mutter ist nunmal nicht zu ersetzen. Selbst Psychologen stimmen da überein. Wenn also eine Familie nicht funktioniert, wie soll dann eine Gesellschaft funktionieren? Sie wird in Anonymität enden.

Was deine Frage zum Individuum betrifft, so muss man gleich zu Beginn eines klarstellen: Ein Individuum im Islam ist der Gemeinschaft,- im Gegensatz zu seiner Stellung in westlich geprägten Kulturen,- untergeordnet. Erst wenn es der Gemeinschaft gut geht, geht es dem Individuum gut. Dies fängt in der Familie an. Loyalität und Opferbereitschaft sind hierfür wichtige Eigenschaften. Ein Individuum das zum Egozentriker mutiert ist, ist hier fehl am Platz. Leider gibt es sehr viele Menschen, die vor die Wahl gestellt, eher dazu tendieren ihre Familie aufzugeben, als ihre Wünsche zu beschneiden. Sie sind unfähig,- oder unfähig gemacht worden,- gemeinschaftlich zu denken und zu fühlen.

Der heilige Koran gibt hier Empfehlungen. Was Mann und Frau letztendes tun hängt aber auch davon ab, welche Entscheidungen sie selbst treffen. Nur eine starke gegenseitige Liebe und Achtung voreinander wird sie glücklich machen. Und Gott ist ja bekanntlich die Liebe...

Mit den besten Wünschen,

Abdullah

 

Fi aman illah!